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.. ist die einzige Möglichkeit

+++EIL+++ JHV des FC St. Pauli: Präsidium geschlossen zurückgetreten!

Die diesjährige Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli versprach bereits im Vorfeld durch die bis in die breite Öffentlichkeit getragene Diskussion um die „Goliathwache“ und die damit verbundenen Fan-Proteste spannend zu werden. Wie spannend sie dann tatsächlich wurde, zeigte sich allerdings erst, als Präsident Stefan Orth statt einer Eröffnungsrede eine Stellungnahme verlas, die an Explosivität nichts vermissen liess:

„Liebe Mitglieder und Mit… liebe Fans und…liebe anwesende Stimmberechtigte auf der Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli,

hiermit gebe ich bekannt, dass das komplette Präsidium des FC St. Pauli, bestehend aus meiner Person, Vizepräsident Dr. Bernd-Georg Spies, Vizepräsident Dr. Gernot Stenger, Vizepräsident Tjark Woydt sowie auch Herr Michael Meeske mit sofortiger Wirkung ihre Ämter niederlegen. Die Entwicklungen der vergangenen Wochen so wie die immer lauter werdende Forderung der Fan-Szene nach einer Abwahl und der Ruf nach Erneuerung liessen uns nach eingehender Überlegung zu dem Schluss kommen, der Fanszene St. Pauli mit einem Präsidium ihrer Wahl ohne den Umstand der Abwahl die Möglichkeiten der sofortigen Einflussnahme und Veränderungen des FC St. Pauli in ihrem Sinne zu eröffnen und das umgehend. Wir wünschen dem neuen Präsidium alles Gute und viel Erfolg.“

Herrschaften! Bewahren Sie Ruhe! Beruhigen Sie sich! Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen! Das ist alles nur Fiktion! Ich habe keine sichere Quelle, der ich das entnehme, ich habe nicht mit Lutz Wöckener gesprochen und ich habe auch nichts von man gehört und mir liegen auch keine geheimen Papiere zum Leaken vor. Alles nur Fiktion, weil ich mir gerade vorgestellt habe, wie interessant das doch sein müsste, wenn das passieren würde.
Wenn der größte Wunsch der Fanszene so einfach in Erfüllung ginge. Und -und jetzt halten Sie sich fest- sogar meiner wäre das. Ich würde den Herren empfehlen, einfach zurückzutreten. Unabhängig von meiner Sympathie oder Antipathie einzelnen Präsidiumsmitgliedern gegenüber. Sollen sie zurücktreten. Keiner will sie -zumindest wird das so kommuniziert- und alles, was sie tun, ist schlecht. Wäre ich Dr. Gernot Stenger, würde ich zu dem Ergebnis kommen, dass eine unentgeltliche, ehrenamtliche Tätigkeit für diesen Verein, bei der man, egal, was man tut, ohnehin nichts richtig macht, irgendwie Zeitverschwendung ist. So ganz persönlich für mich. Ich bin sicher, alle genannten Herren haben durchaus Verwendung für etwas mehr Raum in ihrem Lebensentwurf und kriegen ihre Freizeit auch ohne den FC St. Pauli irgendwie rum.

Mal generell betrachtet: hat der Wunsch beim FC St. Pauli Präsidiumsmitglied zu sein, was von Masochismus? Ist man gern der rote Punkt in der Dartscheibe, weil man wöchentliche Konfrontationen so dringend braucht? Oder ist es der Wunsch nach der Präsenz auf der großen Pressebühne, wenn man eine Rampensau ist wie Herr Orth (bitte entdecken Sie die Ironie)? Oder der Glamour, der damit einhergeht, der Respekt, die Anerkennung, die tolle Kommunikation mit den Fans, das Geld, die Macht… ähem… also eher nichts von all dem?

Ich frage mich wirklich, warum man das tut. Und ich frage mich, wer die Menschen sind, die im Falle eines Rücktritts aka Abwahl bei der JHV die Plätze einnehmen. Die sich darüber im Klaren sind, was auf sie zukommt. Nicht nur wie in den vergangenen Jahren das Bewusstsein, ständig unter dem Fan-Mikroskop zu liegen, sondern auch die Tatsache, dass man wöchentlich ohne größere Absicht die Sau im Dorf sein könnte, blitzscnell dank des www. Würden Sie sich das antun? Ich nicht. Und da ich bezweifle, dass die größten und leidenschaftlichsten Kritiker selbst die Absicht haben, in einem neuen Präsidium zu wirken, sondern sich eher auf dem Posten des Mephistopheles gefallen, würde mich wirklich interessieren, wie die Fiktion weiterginge. Wenn es keine Kandidaten gäbe oder sich die JHV nicht auf eventuell doch aus der Pappschachtel springende Presidents-in-the-box einigen könnte. Dann hätten wir kein Präsidium. So was von non-established, wie es das sonst gar nicht gibt. Die Geschäftsführung des Vereins wäre damit quasi zwar lahmgelegt, der normale Betrieb ohne Entscheidungsträger nicht mehr möglich. Großgläubiger würden vielleicht blitzschnell die Sicherheiten für ihre Kredite überdenken, aber keinen Ansprechpartner mit Entscheidungsbefugnis mehr finden. Ich glaube, als Bank würde ich in so einem Fall auch die Kredite sofort mal fällig stellen. First come, first cash.

Wenn die alle zurücktreten und kein anderer will sich das ernsthaft antun, was wäre denn dann, so ohne Vereinsvertreter? Sehe die Rebellen schon auf die Bühne stürzen und ihren Triumph feiern. Wenn sie einen konkreten Plan und auch Freiwillige haben, dann mögen sie feiern. Wenn nicht, würde das richtig interessant.

Jetzt mal im Ernst: wollten SIE den Job? Einen unbezahlten, in dem Sie täglich darauf gefasst sein müssen, der Inhalt der nächsten „…. raus!“ Choreo zu sein, direkt neben der „F*** Dich, DFB“-Choreo? Wo Sie sich, noch bevor ein Thema wirklich behandelt und durch ist, schon dem nächsten Thema widmen müssen, weil das Internet wieder kocht?
Möchten Sie sich mit penetranten Verstrahlten, die empörte Mails schreiben (wie mir zum Beispiel) und sich mit Ihnen treffen wollen, an einen Tisch setzen und sich ständig rechtfertigen und dokumentieren? Möchten Sie ständig erklären, warum Sie etwas gemacht haben, wenn Sie lieber nichts hätten machen sollen und warum Sie nichts gemacht haben, wenn Sie etwas hätten machen sollen? Wo man ihnen selten bis nie erklärt, was Sie eigentlich hätten machen können? Weil Sie es vielleicht auch gar nicht konnten, das aber keinen interessiert? Wo Sie an der einen Stellungnahme noch schreiben, während bereits die nächste gefordert wird?

Das hier ist einfach eine Überlegung, ob ich selbst bereit wäre, den Job zu übernehmen und mich nicht nur der kritischsten Fanszene der Republik zu stellen, sondern auch einer Fanszene, die Kritik teilweise als gnadenlose Demontage versteht, die auch keinen Raum mehr für Konsens, Kommunikation und Fairness lässt. Bevor es heisst, WIR wollen ja kommunizieren, das Präsidium aber nicht: wenn man Kommunikation und erheblichen Klärungsbedarf (sic!) mit vorgehaltenem siebenfach gefälteltem Samuraischwert serviert bekommt, sinkt die Lust. Zumindest bei mir würde sie das. Und sogar eher ins Gegenteil umschlagen. Das Ding ist richtig verfahren und daran sind beide Parteien beteiligt. Schuld ist nicht immer nur einer, das Dilemma ist mitgestaltet.

Und daher fordere ich zur JHV nicht nur den Rücktritt des Präsidiums, sondern auch den Rücktritt der Fanszene. Wenn schon Neustart, dann aber richtig!!

Edit: an dieser Stelle die Top Ten-Pro-Tipps zur Clickgenerierung (wers braucht) direkt von der Quelle, denn die BILD muss es ja wissen:

1. Das Wichtigste: ein reißerischer Header, der pawlowartig sofort den Reflex auslöst, den Link anzuklicken, der dahinter steht.
2. Die Informationen zum Thema als aus besten Kreisen informierte Vertrauensperson gestalten und den Leser sofort in den Kreis der Bestinformierten integrieren
3. Dringend darauf achten, dass die eigene Empörung eine Mit-Empörung quasi verlangt, weil ohne Mit-Empörung wird man nicht Clubmitglied.
4. Den Link zum Beitrag unbedingt bei den am besten verbreiteten Medien hinterlegen, vorzugsweise in den Kommentaren zu Brand-Themen, auch wenn man diese Medien zutiefst verabscheut. Was der gute Ton einfach auch verlangt.
5. Den Link zum Beitrag unbedingt im Forum, das man nicht liest, hinterlegen. Mit Hinweis auf 1. ist das Potenzial unbegrenzt.
6. Mit gutplatzierten Backlinks auf diverse eigene Beiträge das Page Ranking positiv beeinflussen und schon mal den Sekt kaltstellen für die Bekanntgabe des Platzes beim Blogranking.
7. Unbedingt im Text Links zu meinungsführenden Blogs hinterlegen, da der eigene Link dann dort auch erscheint.
8. Unbedingt etliche Ungeheuerlichkeiten plakatieren, bei denen der Leser erstmal entsetzt nach Luft schnappt und Punkt 3 in Kraft tritt. Sollte sich ein Teil davon später als unwahr erweisen, einfach ignorieren und den nächsten Beitrag vorbereiten. Man kann sich darauf verlassen, dass unliebsame Themen relativ schnell versanden.
9. Kritik am Beitrag als unwichtig, unrichtig, schlecht informiert, falsch positioniert und einfach dusselig kennzeichnen, den Lesern helfen, Dinge einzusortieren, ehe sie das selbst tun. Kann nur schief gehen.
10. Sich unbedingt mit Gleichgesinnten vernetzen, sich gegenseitig verlinken, sich retweeten, faven, liken (konzertiertes Eierschaukeln), Retweets von bekannten Twitterern einfach durch das Einfügen des eigenen Links einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen- kurzum: werden Sie kreativ und entdecken Sie die Möglichkeiten!

Dies war ein Servicebeitrag.

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23 Gedanken zu „+++EIL+++ JHV des FC St. Pauli: Präsidium geschlossen zurückgetreten!

  1. E. Griephan sagte am :

    Wenn das kein großes Kino ist, dann weiß ich auch nicht.

    Traurig, aber wahr.

  2. Gabi sagte am :

    …ganz großes kino 🙂 …was tun wenn plötzlich keine Feindbilder mehr da sind… die Reaktionen unserer „Fanszene“ würde ich gern mal erleben… bin bestimmt kein Anhänger unseres jetztigen Präsidiums, doch mangels Alternativen muss halt versucht werden zwar kritisch aber auch konstruktiv miteinander zu arbeiten.
    Sollte dieses Szenario den ein oder anderen dazu bringen sich aus der Deckung zu begeben und zu sagen: Hier, Ich machs! Meine Stimme hätte er/sie.
    Doch ich befürchte, wie Sie auch, es wird sich so leicht niemand finden lassen und das macht diese ganze Geschichte so traurig ….

  3. Die ZEIT hat das mal „negativen Opportunismus“ genannt, JEKY 😉

  4. astro sagte am :

    Also bzgl. des plötzlichen Rücktritts bitte noch mal in die Satzung gucken. Ganz so leicht kommen die uns nicht davon. 😉

  5. Pingback: Präsident eines Fußballvereins zu werden, ist eine Scheißidee : St. Pauli *NU

  6. Ich hatte es an anderer Stelle schon geschrieben.
    Ganz, ganz, ganz großes Damentennis.
    Einfach nur auf den PUNKT!
    STRG – F und STRG – H (für alle Nicht-MS-Dos Kandidaten: Suchen und Ersetzen) und schon passt das Werk auf 99% aller Bundesligavereine.
    Mal mehr, mal weniger, wie gerade bei meinem, aber da sah das vor drei Wochen auch noch anders aus.
    Herrlich!
    Einfach nur herrlich.

    • *kreisch* Natürlich hab ich STRING F und STRING H ausprobiert. Zu Tode erschrocken bin ich, danke dafür!

      Vom Verbissenheitsmodus kriegt man Zähneknirschen und muss irgendwann nachts so eine Knirschschiene tragen. Keine Lust. Drum halt dies 😉

  7. Jetzt habe ich gerade einen Kommentar auf einen Kommentar dort geschrieben, der aber irgendwie spurlos verschwindet. Da gibts hier auch einen Backlink zu 😉

    Also noch mal hier:

    das ist eine reine Satire-Ironie-Mischung, die erlaubt Vermischungen zum Zweck der Unterhaltung, sogar einen unmöglichen „Rücktritt“ von unserem allseits geschätzten Herrn Meeske. Die Motivation Einzelner, warum sie sich das antun, entzieht sich größtenteils meiner Kenntnis, daher rein im Vermutungsmodus.

    Und von Bloggerfrust bin ich gerade im Moment so weit entfernt wie nie. Weil, ich bin doch mehr der Freizeitblogger, dem es genügt, wenn ein paar Leute hier lesen, ein paar kommentieren, ein paar sich gar Diskussionen stellen. In meiner Anspruchslosigkeit KANN ich faktisch gar nicht bloggerfrustriert sein 🙂

    Und: alle Ähnlichkeiten mit lebenden Bloggern und realen Handlungen sind rein zufällig!

    🙂

  8. Otto s04 sagte am :

    Ich als s04Fan lese mit grossem Interesse und Genuß eure “ verbalen Scharmützel“. Nach dem mich mein Schatz über die Hintergründe grob informiert hat, bin ich der Meinung, das Du Dich bei der nächsten Wahl aufstellen lassen solltest, weil, wenn jemand so viel auf die Sch…… bekommt wie Du, egal was er schreibt ( was ich meistens nicht nachvollziehen kann ) ist das die beste Schule für diese Posten. Aber wer bin ich denn, daß ich Dir als Schalker einen Ratschlag geben muß, aber wenn Du mal einen Prellbock brauchst so bleibt Dir immer noch Dein Freund vom so4.
    GLÜCK AUF
    Otto

    • Ich nehme auch gerne Ratschläge von Schalkern an. Sogar von HSVern, aber erzähle es nicht weiter 😉

      Naja, man hat mir beigebracht, wer austeilen kann, muss auch einstecken können, und da ich beim Austeilen auch nicht zimperlich bin zuweilen, muss ich das Echo vertragen. Oder das hier dicht machen.

      Außerdem mag ich es sogar lieber, wenn sich kontroverse Diskussionen entwickeln auch durch die Einwürfe anders denkender Kommentatoren, als wenn sich hier nur Kommentare wie „Danke für den tollen Beitrag.“ oder „Schön, dass es mal jemand angesprochen hat.“ finden würden.

      Aber selbst meine Leidensfähigkeit hat Grenzen und die wären dann bei so einem Präsidiums-Job deutlich überschritten. Hier schreibt ja immerhin mein Schalker Freund auch noch mal was Positives, das gibts ja „dort“ quasi so null . Also bleib ich lieber hier 😉

      Dass z.B. jetzt ein Eintrachtler hier aufschlägt und ein St. Paulianer sich für die Strukturen dort interessiert und sich vielleicht ein Dialog draus entwickelt, das sind so Dinge, die mir gefallen.

  9. Pingback: Präsident eines Fußballvereins zu werden, ist eine Scheißidee › St. Pauli POP

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